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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 23.10.2006
Aktenzeichen: 7 W 68/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 101 Abs. 1
ZPO § 319
ZPO § 319 Abs. 1
ZPO § 319 Abs. 3
ZPO § 321
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

7 W 68/06

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. ... die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 23.10.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat übernimmt die Sache.

2. Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 11.07.2006 dahin abgeändert, dass der Antrag der Streithelferin vom 06.06.2006 abgewiesen wird.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Streithelferin.

Gründe:

1.

In dem rechtskräftigen Versäumnisurteil vom 30.11.2005, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, fehlt ein Ausspruch über die Kosten der Streithelferin, die sich dem Antrag der Beklagten auf Abweisung der Klage in der mündlichen Verhandlung angeschlossen hat. Auf Antrag der Streithelferin vom 06.06.2006 hat das Landgericht mit Beschluss vom 11.07.2006 die Kostengrundentscheidung dahin korrigiert bzw. ergänzt, dass die Kläger die Kosten der Streithilfe als Gesamtschuldner tragen müssten. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das Fehlen einer Kostengrundentscheidung bezüglich der Streithilfe stelle eine offenbare Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dar, weil die Streithelferin einen Antrag auf Klageabweisung gestellt habe. Im Nichtabhilfebeschluss vom 24.07.2006 hat das Landgericht ergänzend ausgeführt, das Urteil sei dahin auszulegen, dass die Kläger auch die Kosten der Streithilfe zu tragen hätten, da es sich um eine streitgenössische Nebenintervention gehandelt habe; zur Klarstellung sei dies gemäß § 319 Abs. 1 ZPO auszusprechen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

2.

Die gemäß §§ 319 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Beschwerde ist begründet und führt zur Abweisung des Antrags auf Nachholung der Entscheidung über die Kosten der Streithilfe. Eine Ergänzung der Kostenentscheidung gemäß § 319 Abs. 1 ZPO im beantragten Sinne hat sich verboten.

a.

Nach der - soweit ersichtlich - einhelligen Ansicht der Obergerichte verbleibt dem Streithelfer nur ein - hier jedenfalls nicht fristgerecht gestellter - Antrag auf Ergänzung des Urteils gem. § 321 ZPO, wenn das Gericht eine Entscheidung über die Kosten der Streithilfe bewusst oder unbewusst nicht getroffen hat (vgl. u.a. OLG München, Beschl. v. 16. 6. 2003, 7 W 1516/03, NJW-RR 2003, 1440 für ein "bewusstes" Auslassen; OLG, Dresden, Beschl. v. 23.09.2005, 11 U 695/04, NJOZ 2006, 210 für ein "unbewusstes" Auslassen; OLG Koblenz, Beschl. v. 09.08.2002, 14 W 465/02, MDR 2002, 1338; vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 319 Rn. 15; § 321 Rn. 3; Musielak, ZPO, 5. Auflage, § 321 Rn. 7). Der Senat schließt sich dieser Ansicht jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation an. Es geht bei der Auslassung nicht nur um eine "technische" Fehlleistung.

b.

§ 319 Abs. 1 ZPO verlangt zunächst eine Unrichtigkeit eines Urteils im Sinne einer unrichtigen oder unvollständigen Verlautbarung des vom Gericht Gewollten; nicht abschließend geklärt ist, ob auch eine falsche Willensbildung des Gerichts im Wege des § 319 ZPO korrigiert werden kann (vgl. hierzu u. a. BGH, Urt. v. 14.07.1994, IX ZR 193/93, NJW 1994, 2832, 2833). Die Unrichtigkeit muss darüber hinaus derart offenbar sein, dass sie sich für einen Außenstehenden aus dem Zusammenhang des Urteils oder Vorgängen bei seinem Erlass und seiner Verkündung ohne weiteres ergibt. Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Voraussetzungen dafür, dass eine Unrichtigkeit vorliegt, nicht überspannt werden dürfen (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 04.12.2001, 7 UF 437/01, MDR 2002, 602 m.w.N.).

c.

Eine Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO ist zwar gegeben. Das Gericht hat eine Kostengrundentscheidung treffen wollen, die alle Kosten und mithin auch die Kosten der Streithilfe umfasst. Dieser Wille ist fehlerhaft zum Ausdruck gekommen. Der Urteilsausspruch bezieht sich vorliegend nur auf "die Kosten des Rechtsstreits". Er kann grundsätzlich keinen Titel für die Festsetzung von Streithilfekosten bilden. § 101 Abs. 1 ZPO macht deutlich, dass die Kosten einer Nebenintervention Gegenstand einer besonderen richterlichen Entscheidung sein müssen (vgl. u.a. OLG Koblenz, a.a.O. m.w.N. zur Literatur; Zöller/Herget, a.a.O., § 101 Rn. 5). Ob dies auch für den Fall gilt, dass die Streithilfe auf einer sog. streitgenössischen Nebenintervention beruht (vgl. § 69 ZPO), über deren Kosten gemäß § 100 Abs. 1 ZPO zu befinden ist, kann dahinstehen. Eine solche liegt nämlich nicht vor, weil eine Vorschrift, derzufolge sich die Rechtskraft eines Urteils zwischen den Klägern und der Beklagten auch auf das Verhältnis zur Streithelferin erstreckt, nicht ersichtlich ist. Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Ansprüche von der Streithelferin durch Abtretung erlangt und ihr den Streit verkündet, um ggf. Ansprüche gegen sie geltend zu machen.

d.

Die Unrichtigkeit ist indes nicht offenbar gemäß § 319 Abs. 1 ZPO. Das Urteil begründet die Kostenentscheidung nicht. Da es sich um ein Versäumnisurteil handelt, fehlen Tatbestand und Entscheidungsgründe, die für eine Auslegung herangezogen werden könnten. Auch der Akteninhalt - sollte er überhaupt als Auslegungsgrundlage in Betracht kommen (so wohl (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 101 Rdnr. 12; a.A. Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 101 Rdnr. 5) - ergibt kein eindeutiges Auslegungsergebnis. Allein der Umstand, dass ein Streithelfer dem Rechtsstreit auf seiten der später obsiegenden Partei beigetreten ist und sich seinem Antrag im Rahmen der mündlichen Verhandlung angeschlossen hat, impliziert nicht zwingend eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Streithelfers. Sie ist nur geboten, "soweit §§ 91 - 98 ZPO nichts anderes ergeben" (vgl. § 101 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Ob diese Bedingung gegeben ist, bedarf einer Wertung durch den erkennenden Richter, für die vorliegend eindeutige und evidente Anhaltspunkte fehlen.

e.

Hat das Gericht eine Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention übersehen oder ist sie versehentlich unterblieben, verbleibt dem Streithelfer vielmehr nur ein Antrag auf Ergänzung des Urteils gemäß § 321 ZPO (OLG München, a.a.O. m.w.N.). Auch der BGH hat bislang in Fällen übergangener Kostenentscheidungen hinsichtlich einer Streithilfe - soweit ersichtlich - § 321 ZPO angewandt (BGH, Ergänzungsurt. v. 02.12.2004, IX 422/99, MDR 2005, 526). Einen Ergänzungsantrag gemäß § 321 Abs. 1 ZPO hat die Streithelferin, der das Versäumnisurteil am 08.12. 2005 zugestellt worden ist, innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 321 II ZPO nicht gestellt. Ihr auf Berichtigung abzielender Antrag ist erst am 07.06.2006 bei Gericht eingegangen. Da die Streithelferin aber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die abgelaufene Frist gemäß § 321 Abs. 2 ZPO gestellt hat, wird das Landgericht hierüber zu entscheiden haben. In diesem Zusammenhang wird sich nicht nur die Frage nach einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Streithelferin stellen, das sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste, sondern vorrangig die Frage, ob eine Wiedereinsetzung bezüglich der Frist gemäß § 321 Abs. 2 ZPO überhaupt statthaft ist.

3.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren fallen nicht an; die Kostenentscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, obwohl es bislang an einer ausdrücklichen höchstrichterlichen Entscheidung dazu fehlt, ob die Nachholung einer unterlassenen Entscheidung betreffend die Kosten der Streithilfe im Wege einer Berichtigung gemäß § 319 ZPO zulässig oder ob dies nur im Wege einer Ergänzung gemäß § 321 ZPO möglich ist und obwohl der Senat der Frage eine grundsätzliche Bedeutung beimisst. Denn gegen die Ablehnung einer Berichtigung findet kein Rechtsmittel statt (§ 319 Abs. 3 ZPO). In diesem Falle ist eine Rechtsbeschwerde selbst dann nicht statthaft, wenn sie zugelassen worden ist. Eine Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, bleibt auch bei - irriger - Rechtsmittelzulassung unanfechtbar (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 08.10.2002, VI ZB 27/02, NJW 2003, 211 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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